Auswanderung in die USA um 1850

Um diese Zeit verließen viele Deutsche ihre Heimat, auch aus unserer näheren Umgebung. Politische oder wirtschaftliche Probleme spielten eine Rolle aber auch wie zu allen Zeiten Abenteuerlust. Dabei wurden die jungen USA ein bevorzugtes Ziel.

Hinzu kamen briefliche Rückkopplungen, die die dortigen Verhältnissen positiv beschrieben. In der Landwirtschaft zum Beispiel wurden rund 48 ha je Farm geboten. In der Heimat dagegen waren 14 bis 15 ha üblich, dazu noch mit Feudallasten behaftet. Außerdem waren Werber unterwegs, denn die einzelnen Bundesstaaten brauchten Arbeitskräfte und Fachleute aller Art. Das sprach sich herum und viele Leute verschiedener Altersgruppen machten sich auf den Weg. An der deutschen Küste hatte sich seit den 1840er Jahren eine regelrechte Auswandererindustrie gebildet mit Unterkünften und Büros zur Regelung der Formalitäten.

Alleine im Frühjahr 1852 zogen 24 Friesauer los, allerdings nicht immer erfolgreich. Etliche waren zur Kirmes oder zu Weihnachten wieder daheim. Teilweise waren die Ersparnisse bereits in Hamburg oder Bremen aufgebraucht.

Über die Einwanderer gibt es in den USA eine gute Quellenlage; eine Zentrale dafür existiert noch heute in Chicago. Allerdings erscheinen die deutschen Namen oft stark verändert (zum Beispiel aus Pasold wird Besold). Auch mit den kleinen Reußenstaaten als Herkunftsland weiß man dort nichts anzufangen. Daher laufen die Auswanderer unserer Gegend unter Sachsen oder Preußen.

Am Beispiel des Christian Pasold aus Röppisch (Nr. 43), gelegen in Reuß Älterer Linie, soll hier ein realer Auswanderungsverlauf geschildert werden. Er war der älteste Sohn (geb. 1827) des Bauern Carl Pasold. Christian Pasold hatte in der Retzschmühle bei Röppisch gelernt und dort gearbeitet. Hier wurde nicht nur Korn gemahlen sondern auch Holz geschnitten wenn das Wasser dazu reichte. Durch den Publikumsverkehr in der Retzschmühle flossen Informationen aller Art, sicherlich auch über Auswanderer. Von Vater Carl aus sollte er eine eigene Bauernwirtschaft in Röppisch (Nr. 44) übernehmen, aber er lehnte ab.

Retschmühle

Im Sommer 1852 begann Christian Pasold ohne Erlaubnis seiner Regierung in Greiz die Ausreise nach Amerika. Damals befand sich der nächstgelegene Bahnhof in Altenburg. Von dort aus ging es nach Hamburg. Am 05.August bestieg er das amerikanische Segelschiff „Pumpgustuk“ unter Kapitän Webster. Insgesamt waren 209 Passagiere an Bord. Am 16. September kam das Schiff in New York an. Es gab unterwegs einige Tote – „died on board“. Mit ihm reisten noch eine Familie aus Röppisch und eine aus Remptendorf. Diese waren alle miteinander verwandt.

Familie Andreas Meisgeyer (48 Jahre/ „Landmann“) aus Röppisch Nr. 28 mit Ehefrau und 6 Kindern. Er hatte zuvor Haus und Hof verkauft. Während der Überfahrt verstarben zwei Kinder und ein Kind kurz nach der Ankunft in New York. Vater Andreas selbst verstarb noch 1852 am Bestimmungsort im Bundesstaat Ohio. Die Witwe mit ihren Kindern (15, 11 u. 9 Jahre) betrieb dann dort eine Farm.

Familie Carl Bohn (36 Jahre/ „ Landmann“) aus Remptendorf wanderte ebenfalls mit Ehefrau und 6 Kindern aus. Diese Familie verlor ein Kind bei der Überfahrt. Sie betrieben nach der Ankunft im Cuyahoga County im Bundesstaat Ohio auch eine Farm. Um 1866 verstarb die Ehefrau. Anfang 1870 kehrte Bohn kurzzeitig in die alte Heimat zurück. Die Reise erfolgte bereits mit einem Dampfschiff und dauerte nur 14 Tage. Er holte Caroline Pasold (25) aus Röppisch, die jüngste Schwester des o.g. Christian zwecks Eheschließung ab. Die Hochzeit war am 10.April 1870 in der neuen Heimat.

Zurück zu Christian Pasold:

Erste Station des Christian ist Olmsted Falls im County (Kreis) Cuyahoga bei Cleveland/ Ohio. Hier arbeitete er in einem Sägewerk und wurde bald Maschinist. Dieses Metier war ihm aus der Heimat bekannt. Die USA waren zu dieser Zeit voll im Aufbau begriffen und es wurde viel Holz gebraucht.

Olmsted Falls (Ohiao)

Am 30.10.1860 erfolgte seine Einbürgerung in die USA bei einem Festakt in der Stadt Cleveland. Als Herkunft ist hier „Saxony“ vermerkt. Im Juni 1863 wurde er in die Armee der Nordstaaten einberufen. Der Bürgerkrieg war im vollen Gange. Christian diente im 24. Ohio Infantry-Regiment, H‑Kompanie und später in der 12. Batterie. Er wurde verwundet und nach 19 Monaten im Jahre 1865 entlassen. Danach erhielt er eine Invalidenrente Er arbeitete dann weiter im Sägewerk, wo er inzwischen Miteigner war. Auch wurden die Auswanderer noch Zeugen der letzten Kämpfe mit den Indianern. Im Jahr 1867 erfolgte die offizielle Entlassung des Christian Pasold aus der Reußischen Staatsbürgerschaft mit der sonderbaren Auflage, dass er unter anderem die nächsten 12 Monate nicht in einen Krieg gegen die Reußen ziehen darf. Diese Formalie erledigte das Preußische Konsulat in Cincinnati, das zuständig war für Ohio, Indiana und Kentucky.

Im gleichen Jahr verstarb sein Vater Carl in Röppisch, der ihm laut Testament 440 Thaler als Erbteil zukommen ließ. 1873 heiratete er Agrippina Peter, die mit ihren Eltern und sieben Geschwistern 1854 ebenfalls aus Deutschland (Pfalz) gekommen war. 1875 wurde die erste Tochter (Berta) geboren. Mit der Zeit konnte Christian die harten Winter in Ohio gesundheitlich nicht mehr vertragen. Er veräußerte seinen Besitz und zog nach Kalifornien. Die Eisenbahn verkehrte bereits. Die Familie siedelte sich im Städtchen Oxnard, County Santa Barbara bei Los Angeles an und zählte damals zur Pionier- Generation.

Oxnard (Kalifornien)

Beruflich beschäftigte er sich wieder in der Holzbranche. 1885 wurde die Tochter Mary‑Ann geboren. Christian Pasold starb im Jahr 1896, seine Invalidenrente ging an die Witwe Agrippina über. Für das Jahr 1916 wurden Aktien in Höhe von 4000 $ erwähnt. Die Witwe Agrippina starb 1921 nach längerer Krankheit in einem Sanatorium in San Bernardino bei Los Angeles. In der örtlichen Zeitung „ Oxnard Daily News“ erschien darüber ein würdigender Beitrag.

Über all die Jahre gab es briefliche Kontakte; anfangs über Christian und später über seine Tochter Mary‑ Ann zum ehemaligen Elternhaus in Röppisch. Mary‑Ann fungierte auch als Testamentsvollstreckerin des Vaters noch vor ihrem eigenen Tod 1938. Der Rechtsweg dauerte seine Zeit. Es standen 3.800 $ Erbe zur Verfügung. Davon ging ein Viertel an zwei Erben in den USA. Der große Rest ging an die Nichten und Neffen in der alten Heimat. Nach Abzug aller Unkosten kamen entsprechend dem Schreiben eines Rechtsanwaltes aus Magdeburg vom 19.10.1940 jeweils 282,02 RM an. Dollar sah natürlich keiner.

Begünstigte waren:

Walter          Pasold         Röppisch Nr. 30

Lina             Wohlfarth    Thimmendorf

Pauline        Zschirner     Thimmendorf

Ernst            Pasold         Röppisch Nr. 23

Anna            Oelsner       Röppisch Nr. 43 ( Elternhaus)

Alfred           Pasold         Oettersdorf

Danach rissen die Verbindungen ab, eventuell auch durch den Eintritt der USA in den Krieg.

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